16. Dezember (3. Advent)

Eine Kurzgeschichte, die eine sehr gute Freundin von mir geschrieben hat.

Tanz der Schneeflocken


Ich saß auf der breiten Fensterbank neben der Heizung und schaute hinaus. Flüsternd zählte ich die Schneeflocken, die an meinem Fenster vorbei schwebten wie kleine Feen. „Eins, S, hundert, sieben, B, null, zwei ...“ Ich stellte mir vor, wie ich eine von ihnen wäre, stand auf und begann, durch mein Zimmer zu tanzen. Mit geschlossenen Augen, ganz auf meine kleinen Schritte konzentriert.
Heute war Weihnachten. Das Fest der Freude und Liebe, wie es mir Mama immer wieder erzählt hatte.
Abrupt hielt ich inne und holte meinen Teddy. „Da hab ich es ja fast vergessen. Teddylein, ich wünsche dir frohe Weihnachten!“, sagte ich zu ihm und kuschelte ihn an mich.
Vorsichtig ging die Tür auf und Mama schaute hinein. „Elena, du bist ja schon munter! Ich hab doch gesagt, du kannst heute ausschlafen! Und Hausschuhe hast du auch nicht an! Du holst dir noch den Tod, mein Kind!“ Ich ging zu ihr und umarmte sie. „Guten Morgen, Mamilein. Bitte verzeih mir, aber ich bin so aufgeregt! Schau doch, es hat geschneit!“
Meine Mama ging ans Fenster und schaute nach draußen. „Ach, tatsächlich. Habe ich ja noch gar nicht bemerkt.“ Ich schaute sie an. Wie konnte sie das nur nicht sehen? Der erste Schnee. Lange hatte ich darauf gewartet.
„Na ja, aber jetzt komm schon, Kleines - der Kakao wird kalt!“
Schnell rannte ich ins Wohnzimmer. Da saß schon Papa auf dem Sofa, heißen Kaffee in der Hand. „Papi!“ Ich stürzte mich in seine Arme. „Frohe, frohe Weihnachten!“
Er musste lachen. „Schon gut, Elena, ganz ruhig.“ Wie sollte ich an so einem Tag bitte ruhig sein können? Wieso waren Mama und Papa heute so ruhig? Freuten sie sich etwa nicht auf den Weihnachtsbaum, auf die Plätzchen, auf das alles?
Ich fing an zu Weinen. Ganz plötzlich, ohne dass ich es wollte.
„Na na, wer wird denn hier schon an Weihnachten weinen?“ Papa hob mich hoch, setze mich auf seinen Schoß und strich mir die Tränen aus dem Gesicht.
Langsam beruhigte ich mich wieder. Dann schaute ich ihn an. „Papi, weißt du, dass es geschneit hat?“
„Was? Er schob mich von sich runter und ging zum Fenster. „Tatsächlich! Wusste ich ja noch gar nicht ...“

Wirklich komisch. Und traurig.


Am Abend musste ich vor der Tür warten. Ich presste mein Ohr dagegen und versuchte irgendetwas davon zu hören, was im Wohnzimmer vor sich ging. Würde gleich der Weihnachtsmann kommen? Oder das Christkind? Oder etwa der Schweinachtsmann? Ich nahm mir vor, dem Weihnachtsmann am Bart zu ziehen, sobald er vor mir stehen würde. Nur ganz leicht. Aber ich würde es machen.

Doch dazu kam es nicht. Denn ein Engel kam! Bewundernd schaute ich ihn an. „Das Glitzer in den Haaren will ich auch haben!“, sagte ich dann empört und neidisch. Ich will das auch!!!
Der Engel kam zu mir und schüttete mir etwas Glitzer auf die Haare. „Bitte. Jetzt hast auch du Glitzer.“ Alles war wieder gut, ich strahlte. „Mami, Papi, bin ich nicht schön?“
Beide schauten sich an und lachten dann. „Natürlich bist du das!“, sagte beide.
Dann kamen die Geschenke an die Reihe. Ich konnte nicht mehr stillsitzen und hüpfte die ganze Zeit auf dem Sofa herum. Und dann endlich hielt ich sie in meinen Händen. Meine lang und sehnsüchtig erwartete Puppe. „Bist du schön!“, hauchte ich. Dann gab ich ihr einen Kuss.
Mama und Papa hörte ich „Schau mal, wie süß!“ flüstern, doch ich beachtete sie nicht weiter.
Endlich hatte ich meine Puppe!

Spät am Abend ging ich ins Bett. Mit meiner Puppe im Arm.
Zum Gute-Nacht-Sagen kam Papa zu mir. Er deckte mich zu und wickelte die Decke um mich herum. „Jetzt siehst du aus wie ein Bratapfel!“, sagte er und lachte. Ich lachte auch und war gleichzeitig so froh darüber, dass er da war.
„Gute Nacht, Elena!“, sagte er von der Tür aus.
„Gute Nacht, Papi. Ich hab dich lieb.“
Doch da war er schon gegangen. Hatte er es noch gehört?
„Gute Nacht, meine Süße!“ Auch meine Puppe bekam einen Gute-Nacht-Kuss.

Und dann schlief ich glücklich ein, meine Puppe in den Armen und mit dem Gedanken, warum wohl die Erwachsenen nicht mehr merken, wenn es schneit.

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